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gewesen. Sie sind stumpf und verroht geblieben und zu freier Arbeit
unfähig. Im Gegensatz dazu stehen die herrschenden Volksklassen,
die aber trotz hoher Bildung in ihrer Verschwendungssucht und
Willkür kein gutes Beispiel geben. Die innerpolitischen Zustände
sind den aufstrebenden Schichten der häufig im Ausland gebildeten
mittleren Volksklassen und den durch polnische und jüdische Agita-
toren beeinflußten Industriearbeitern unerträglich, und die Willkür
der größtenteils bestechlichen Beamtenschaft treibt das Land un-
aufhaltsam dem Ruin entgegen. Vielleicht wird der Eintritt in die
Reihe der konstitutionellen Staaten dem schwergeprüften Lande die
ersehnte Besserung bringen.
Der Beschäftigung nach gehören mehr als drei Viertel der
Bevölkerung der Landwirtschaft und verwandten Berufen an. Nur
etwa ein Achtel wohnt in Städten, und das ganze russische Welt-
reich hat nur 20 Großstädte. Die Auswanderung ist bedeutend.
(Gründe!) Sie richtet sich sowohl nach dem Westen (England,
Nordamerika, Deutschland — besonders Juden, Finnländer nach
Schweden) als auch nach dem Osten. (Sibirien, Transkaukasien und
Transbaikalien. — Der russische Ansiedler im Osten ist gleichzeitig
Ackerbauer, Eisenbahnarbeiter und — Soldat !)
B. Wirtschaftliches.
i. Land- und Forstwirtschaft, Tierzucht, Fischzucht und Jagd.
Rußland hat gute Vorbedingungen für eine reiche Produktion von
pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen. Man ist gewöhnt, es als
die Kornkammer Europas zu bezeichnen. Denn obwohl nur 26%
der Bodenfläche Ackerland sind, hat es bei seiner Ausdehnung doch
die größten Anbauflächen (allein für Getreide etwa 720000 qkm,
d. i. rund 175 000 qkm mehr als der Raum, den das Deutsche Reich
bedeckt). Trotz schlechter Bewirtschaftung und ungenügender Aus-
nutzung des Bodens bringt dieser besonders im Gebiet der „schwarzen
Erde" so reiche Ernten, daß Rußland das zweite Getreideausfuhr-
land der Erde ist. (Die Union hat es seit 1877 überflügelt. Russische
Ernte 1906 in Mill, t: Roggen 17,0, Weizen 13,8, Hafer 10,4, Gerste
6,8 ; daneben noch 1,8 Mais [dabei erbrachte 1906 eine Mißernte]. Ver-
gleiche die entsprechenden Zahlen für das Deutsche Reich, Teill, S.39.)
Ein großer Teil der Ernte gelangt selbst in schlechten Jahren
zur Ausfuhr. Weltplatz für Getreide ist Odessa.
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural]]
Extrahierte Ortsnamen: England Nordamerika Deutschland Schweden Sibirien Transkaukasien Europas Deutsche_Reich Odessa
— 49 —
reiche Zink-, Blei- und Kupfererzminen, die bereits ausgebeutet
werden). Dieser Strecke parallel führt die Linie Port Elizabeth
—Johannesburg—pietersburg, mit welcher die Häfen East London,
Durban und Lourenço Marques verbunden sind. Dampferverkehr
findet nur auf dem Sambesi statt. Im Innern ist der mit 10—18 Ochsen
bespannte Wagen vielfach noch das einzige Transportmittel. — Den
Außenverkehr besorgen viele englische Gesellschaften sowie die
Woermann- und die Deutsch-Ostafrika-Linie. Sowohl an der Ost- als
an der Westküste vorbei führt je ein Kabel. (Wo hat ersteres An-
schluß?) Die bedeutendsten Handelsplätze sind Kapstadt, Port
Elizabeth, East London, Durban. Die lähmenden Folgen des Buren-
krieges für den Handel sind bald wieder überwunden, äußern sich
aber für die Weißen unangenehmerweise in einem zu großen Selbst-
gefühl der schwarzen Bevölkerung. („Afrika den Afrikanern!")
Stelle die Hauptausfuhrartikel zusammen! Eingeführt werden
Baumwollen- und Wollwaren, Maschinen, Kohlen, Eisenbahn-
matêrial, Bier und Spiritus. — Deutschland sandte nach Britisch -
Südafrika 1906 für über 32 Mill. M Waren, wogegen es für etwa
36 Mill. M von dort empfing.
b) Die übrigen Besitzungen.
Den Bestrebungen Rhodes', des „ungekrönten Königs von Süd-
afrika", den englischen Einfluß in Afrika maßgebend zu machen, ver-
dankt das Mutterland zunächst die Ausdehnung bis zum Gebiete der
großen Seen. Zwischen dieser ungeheuren Fläche und Britisch-Ost-
afrika schieben sich Deutsch-Ostafrika und der Kongostaat ein, während
sie durch Portugiesisch-Ostafrika vom Meere abgedrängt wird.
An Britisch -Ostafrika (inbegriffen das Sultanat Witu, früherer
deutscher Besitz) schließt sich zu beiden Seiten des Nils der englische
Sudan an, der bis an das Rote Meer heran reicht (Chartum-Suakin).
Ägypten (siehe dieses!) steht ebenfalls unter englischem Einfluß, und
der Plan, Alexandria und Kapstadt durch eine englische Eisenbahn zu
verbinden, ist seinerzeit an dem Widerspruche Deutschlands zwar ge-
scheitert, aber jedenfalls nicht aufgegeben.
Ebenfalls englisch ist ein Teil des Somalilandes, Aden gegenüber,
mit den Hafenplätzen Berbera und Zeila. Von hier aus glaubte England
seinen Einfluß nach Abessinien und den südlich davon gelegenen unab-
hängigen Gallaländern ausdehnen zu können. Bei dem Widerstande,
den es sowohl dort als bei den Franzosen im benachbarten Obok ge-
funden, ist auch dieser Plan zunächst gescheitert. Als Stützpunkt für
den ostafrikanischen englischen Handel ist vor allem Sansibar, dem
durch die deutschen Häfen Dar es Salam und Bagamoyo einige Kon-
Keuchel-Oberbach, Wirtschaftsgeographie. Teil Ii. 4
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt]]
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Extrahierte Personennamen: Elizabeth
—Johannesburg—pietersburg Elizabeth East_London
Extrahierte Ortsnamen: Durban Lourenço_Marques Kapstadt Durban Deutschland Afrika Deutsch-Ostafrika Alexandria Kapstadt Deutschlands Berbera England Sansibar Keuchel-Oberbach
— io6 —
Kaisers mit dem Sultan und infolge des Umstandes, daß die Türken
in dem Deutschen Reiche ihren einzigen und uneigennützigen Freund
sehen, haben sich die Handelsbeziehungen zwischen diesem und der
Türkei von Jahr zu Jahr gebessert. Eine Menge deutscher Kapitalien
sind in türkischen Eisenbahnen und Schuldtiteln angelegt, und die
diplomatische Vertretung des Reiches bei der „Hohen Pforte" ver-
schaffte der deutschen Industrie wiederholt große Aufträge (Armee-
lieferungen und Eisenbahnmaterial). Unsere Ausfuhr nach der
Türkei stellte sich 1906 auf 68,5 Mill. M und erstreckte sich auf
Woll-, Baumwoll-, Eisen-, Kupfer- und Messingwaren, Porzellan,
Lederwaren und Bernstein. Die türkische Einfuhr nach Deutschland
erfuhr gegen die früheren Jahre wieder eine Steigerung. Sie hatte
Südfrüchte, Tabak, Schaf- und Ziegenfelle, Teppiche und öl zum
Gegenstand und betrug in demselben Jahre 55 Mill. M.
Hauptplatz ist Konstantinopel, in herrlicher Lage am
„Goldenen Horn", einer Ausbuchtung des Bosporus mit einem vor-
züglichen Hafen. Es ist Stapelplatz für alle Erzeugnisse des Morgen-
landes, Durchgangsstation für viele Waren aus Odessa und das
Petroleum des Kaukasus. Der Verkehr ist größer als der von Marseille,
und die Bedeutung dieser Stadt rechtfertigt sowohl die Sehnsucht
Rußlands nach ihrem Besitze als auch die Wachsamkeit Englands.
Die Europäer wohnen in den Vorstädten Pera und Galata. Die
Deutschen besitzen hier eine große Schule, eine Postanstalt, ein
Krankenhaus, vorzügliche Anlagen am Hafen von Skutari (Haidar-
Pascha), dem Ausgangspunkt der Anatolischen Bahnen, und be-
deutende Bank- und Handelsniederlassungen. — Gallipoli ist
wichtige Marinestation an der Straße der Dardanellen und Ausfuhr-
hafen für Olivenöl, Adrianopel Mittelpunkt der türkischen In-
dustrie (Rosenöl, Seide, Saffianleder und Teppiche). Saloniki,
wichtiger Hafenplatz an dem geraden Wege Hamburg-Wien-Suez,
hat bedeutende Baumwoll-, Seiden-, Woll- und Getreideausfuhr.
Zu erwähnen sind noch Janina mit Industrie in Saffian und Seide,
Üsküb, Monastir als Binnenmärkte und Skutari, die Haupt-
stadt Albaniens; bereits genannt wurde Durazzo, das lebhaften
Handel mit Italien (Brindisi) treibt.
Der Schwerpunkt des türkischen Reiches liegt aber schon seit
langer Zeit nicht mehr in seinem europäischen Besitz, sondern er
ist in den
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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112
Bassins zu locken, ist folgendes. Hat ein einzelner oder eine Unternehmer-
gesellschaft ein Stück Land an sich gebracht, in dem das Vorkommen von
Naphtha zu vermuten ist, so beginnt man, ein 10—12 Quadratmeter
großes Feld abzugrenzen, auf dem ein sogenannter Bohrturm errichtet
wird. Man zimmert aus starken Eichenstämmen ein etwa 50 Meter hohes
Gerüst mit mehreren Etagebauten und umkleidet es mit ^dünnen Holz-
bohlen. Ein ungefähr 15 Meter tiefer Schacht wird inmitten des von
den Holzwänden umrahmten Raumes abgeteuft, und nun kann das Bohren
beginnen. Es geschieht vermittelst eines schweren Meißels, der senkrecht
im Innern des Bohrturmes an schmiedeeisernen, aneinandergeschraubteu
Stangen hängt und bei jedem wuchtigen Fall ein wenig gedreht wird.
Je nach der Beschaffenheit des Gesteins vermag dieser Meißel in 24 Stunden
2—4 Meter des Erdreichs durchzustoßen. In die ausgebohrte Strecke
werden Röhrenstücke von 3/4 Meter im Durchmesser eingesetzt. So entsteht
allmählich eine lange Röhrensäule, die den Stangenbohrer stets in gerader
Richtung hält und dem ausströmenden Naphtha gleich einer Brunnenröhre
die nötige Fassung gibt.
Ist ein unterirdisches Naphthabassin angeschlagen, so schießt mit
mächtigem Druck eine hohe Fontäne aus der Erde. Oft ist die Kraft
der mit Schlamm und Steinen untermischten flüssigen Masse von solcher
Stärke, daß sie das gesamte Gestänge des Bohrturms und seine Kappe,
auf der die Hebemaschinen stehen, in wenigen Sekunden zertrümmert und
weit in die Luft schleudert. Wenn das Gleichgewicht zwischen dem Druck
der äußeren Atmosphäre und der Spannung der im Erdinnern treibenden
Gase hergestellt ist, so hat der aufsprudelnde Springquell sein Ende er-
reicht. Jetzt geht man an die Arbeit, aus dem Röhrenschacht vermittelst
sinnreich konstruierter Blechzylinder das in der Tiefe stehende Naphtha zu
schöpfen. Durch Holzröhren leitet man das Naphtha in große, ausge-
mauerte Behälter, die rings um den Bohrturm angebracht sind.
Das „Glück" zeigt sich bei dem Kampf um die Naphthagewinnung
als die fast einzig regierende Macht. Dem einen schlägt eine Fontäne tage-,
ja wochenlang — den Gebrüdern Nobel gab einmal ein Springquell in
einem einzigen Tage 70 000 Pud (1 Pud ist 32,76 Pfund) und fünf andere
reiche Fontänen in einem Jahr 80 Millionen Pud —, der andere hingegen
vermag monatelang nur Schlamm und Wasser aus seinem Bohrloch zu-
tage zu fördern. So gibt sich die Naphthabohrung als tolles Glücks-
spiel. Hier werden beträchtliche Kapitalien fruchtlos vergeudet, dort fließen
Millionen in wenig Tagen in die Taschen des vom Glück Begünstigten.
Da das Pud Noh-Naphtha 17x/2 Kopeken kostet und die Betriebsunkosten
sich auf kaum 4 Kopeken das Pud stellen, bietet die Naphthabohrung ein
höchst einträgliches Geschäft (1 Kop. ----- 2,16 Pf.).
Ein besonders krasser Fall, der beweist, daß nur Zufall und
Glück den Ausschlag geben, hatte sich während meiner Anwesenheit
unweit Baku zugetragen. Ein wohlhabender Tatare hatte auf seinem
Grundstück einen Bohrturm errichtet, hatte monatelang arbeiten lassen, doch
ohne Erfolg. Er verkaufte seine Felder, sein Vieh, sein Haus, um immer
TM Hauptwörter (100): [T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
261
Schenkwirte und ähnliche feuchte Berufe an die Bachseite postierte. Til
wichtigsten Punkte waren jedenfalls die beiden Tore; am Bachtor hielten
darum die fauststarken Gerber Wacht, am Bergtor die noch nervigeren
Schmiede.
Nun galt freilich vordem Michael der Schmied für den stärksten und
kühnsten Mann in der ganzen Stadt, und man hätte ihm gerne den Befehl
am Bergtor übertragen, wäre er nicht neuerdings Michel der Leimsieder
geworden. So aber hielt der Rat dafür, daß ein so gleichgültiger, stummer
und selbstgenügsamer Mann für den gefährlichsten Posten nichts tauge, und
stellte ihn in die Reserve zu den alten Leuten und unbärtigen Jungen.
Der Schmied nahm das ganz ruhig hin, als ob sich's von selbst verstünde,
und schmiedete ruhig fort an seiner Esse.
Inzwischen war dem Rat die geheime Kunde geworden, daß der
Dachsburger nächste Woche auf Lichtmeß mit seinen Freunden zusammen-
stoßen und in also vereinter Macht einen Hauptstreich wider das Städtlein
führen werde. Es galt, dieser Vereinigung der Gegner zuvorzukommen,
und zwar stand die Sache derart auf Spitz und Knopf, daß man den
Dachs entweder in dem Augenblick überfallen mußte, wo er seine Burg
verlassen, den Sammelplatz der Gefährten aber noch nicht erreicht hatte,
oder, wenn diese einzige Stunde versäumt würde, Verzicht leistete auf jeden
Angriff und hinter den schwachen Mauern alle Plage einer sehr bedenk-
lichen Belagerung auf sich nahm.
Um dem Ritter den Weg zu verlegen, mußten aber die Bürger
wenigstens den Sammelplatz wissen, nach welchem er auf Lichtmeß von
seiner Burg ziehen wollte. Sie schickten zu dem Ende drei Kundschafter
aus, einen Metzgerknecht, einen Schustergesellen und einen Schneiderjungen.
Allein die Späher kamen nicht wieder, sondern statt ihrer ein Bote des
Ritters, vermeldend, sein Herr habe jene drei auf verdächtigen Wegen
ertappt und festgenommen, sei aber bereit, sie gegen sehr billiges Lösegeld
auszuliefern. Wolle ihm der Rat statt des Metzgers ein paar fette Mast-
ochsen, statt des Schusters ein paar fette Schweine und statt des Schneiders,
der gar leicht und mager sei, ein paar zarte, junge Zicklein senden, nebst
sechs Maltersäcken Korn als Brot zum Fleische, dann könne er die drei
Burschen im Stadtwald gegen Quittung wieder in Empfang nehmen.
Die Bürger waren außer sich über diesen neuen Schaden samt dem
Spott; dazu drängte die Zeit, denn morgen bereits stand Lichtmeß im
Kalender. Schon früh am Tage hielt man Kriegsrat auf dem Rathause.
Im engeren Ringe standen die Hauptleute der Zünfte, wie auch die Führer
einiger fremder Mannschaft, die von den befreundeten Nachbarstädten
herübergeschickt worden war, im weiteren Ring die anderen bewaffneten
Bürger als Zuhörer.
Es drohte aber eine bedenkliche Spaltung; denn einem Teile war
die Nachricht, der Dachsburger wolle auf Lichtmeß ausziehen, nachgerade
so verdächtig geworden, daß sie behaupteten, der Ritter selbst habe sie aus-
gesprengt, um die Stadt irre zu führen, und die Gefangennahme der
Späher sei bereits die erste Frucht seiner gelungenen List. Die anderen
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
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319
reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks in schöner Milde auf mich
nicderleuchten, jetzt ist es bei Gott ein würdiges Gefühl, das mich treibt,
jetzt ist es die mächtige Überzeugung, daß kein Opfer zu groß sei für das
höchste menschliche Gut, für seines Volkes Freiheit. Vielleicht sagt Dein
bestochenes väterliches Herz: „Theodor ist zu größeren Zwecken da; er
hätte auf einem anderen Felde Wichtigeres und Bedeutenderes leisten können;
er ist der Menschheit noch ein großes Pfund zu berechnen schuldig." Aber,
Vater, meine Meinung ist die: zum Opsertode für die Freiheit und für
die Ehre seiner Nation ist keiner zu gut, aber wohl sind viele zu schlecht dazu!
Eine große Zeit will große Herzen, und ich fühl' die Kraft in mir, eine
Klippe sein zu können in dieser Völkerbrandung, ich muß hinaus und dem
Wogensturme die mutige Brust entgegendrücken. Soll ich in feiger Be-
geisterung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel nachleiern? Ich weiß,
Du wirst manchmal Unruhe erleiden müssen; die Mutter wird weinen,
Gott tröste sie! Ich kann's Euch nicht ersparen. Des Glückes Schoßkind
rühmt' ich mich bis jetzt, es wird mich nicht verlassen. Daß ich mein
Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen Blüten-
kränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist, und daß
ich es doch wage, daß ich die süße Empfindung hinwerfe, die mir in der
Überzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das
ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf.
Sonnabends oder Montags reise ich von hier ab, wahrscheinlich in
freundlicher Gesellschaft; vielleicht schickt mich auch Humboldt*) als
Kurier. In Breslau, als dem Sammelplätze, treffe ich zu den freien
Söhnen Preußens, die in schöner Begeisterung sich zu den Fahnen des
Königs gesammelt haben. Ob zu Fuß oder zu Pferd, darüber bin ich
noch nicht entschieden, und es kommt einzig auf die Summe Geldes an,
die ich zusammenbringe . . .
Toni**) hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre edle, große Seele
bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen
schon trocknen. Die Mutter soll mir ihren Schmerz vergeben; wer mich
liebt, soll mich nicht verkennen, und Du wirst mich Deiner würdig finden.
Dein Theodor.
2. An Ararr von Aereira in Wien.
Jauer, den 30. März 1813.
Eben erhalten wir die Nachricht, daß wir binnen acht Tagen vor
dem Feinde stehen. Die Franzosen haben Dresden stark besetzt, machen
Miene, es zu halten, und sollen ihre Vorposten bis Bautzen vorgerückt
haben. Wir werden mit aller Eile vorgeworfen, und ich halte es für
keine kleine Gunst des Schicksals, daß ich entweder die heilige Erde meiner
*) Wilhelm v. Humboldt, ein hervorragender Gelehrter, der Freund von
Schiller und von Körners Vater; er war damals preußischer Minister und hatte
an Preußens Wiedergeburt einen wesentlichen Anteil.
**) Antonie Adamberger, Körners Braut.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Theodor Aereira Jauer Wilhelm Schiller Körners Antonie_Adamberger
Extrahierte Ortsnamen: Breslau Wien Dresden Bautzen
337
alle; kein Plündern, sie bezahlen, was sie können, und effen verschimmeltes
Brot. Es muß doch ein tiefer Grund von Gottesfurcht im gemeinen
Mann bei uns sitzen, sonst könnte alles nicht sein. Nachrichten über
Bekannte sind schwer zu haben; man liegt meilenweit auseinander, keiner
weiß, wo der andere, und niemand zu schicken, Menschen wohl, aber
keine Pferde.
Der König exponierte sich am 3. allerdings sehr, und es war sehr
gut, daß ich mit war; denn alle Mahnungen anderer fruchteten nicht, und
niemand hätte gewagt, so zu reden, wie ich es mir beim letztenmal
(welches half) erlaubte, nachdem ein Knäuel von 10 Kürassieren und
15 Pferden vom 6. Kürassier-Regiment neben uns sich blutend wälzte
und die Granaten den Herrn so in unangenehmster Nähe umschwirrten.
Die schlimmste sprang zum Glücke nicht. Es ist mir aber doch lieber so,
als wenn er die Vorsicht übertriebe. Er war begeistert über seine Truppen,
und mit Recht, sodaß er das Sausen und Einschlagen neben sich gar
nicht zu merken schien, und er fand immer wieder Bataillone, denen er
danken und guten Abend sagen mußte, bis wir denn richtig wieder ins
Feuer hineingeraten waren. Er hat aber so viel darüber hören müsien,
Laß er es künftig lassen wird, und Du kannst beruhigt sein; ich glaube
kaum noch an eine wirkliche Schlacht."
H.
Nach der Schlacht bei Sedan richtete König Wilhelm folgenden Brief
an seine Gemahlin, die Königin Augusta:
„Vendresse, südl. Sedan, 3. September 1870.
Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen Umfang
des großen geschichtlichen Ereignisies, das sich zugettagen hat! Es ist
wie ein Traum, selbst wenn mau es Stunde für Stunde hat abrollen
sehen!
Wenn ich mir denke, daß nach einem großen, glücklichen Kriege ich
während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte,
und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich
vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus--
ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen und uns zu Werkzeugen seines
Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk auf-
zufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.
Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in gedrängter
Kürze!
Der Kampf begann trotz dichten Nebels bei Bazeilles schon früh am
Morgen, und es entspann sich nach und nach ein sehr heftiges Gefecht,
wobei Haus für Haus genommen werden mußte, was fast den ganzen
Tag dauerte und in welches die Erfurter Division eingreifen mußte. Als
ich um 8 Uhr auf der Front vor Sedan einttaf, begann die große
Batterie gerade ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten
entspann sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte,
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Añg. Teil. 22
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer]]
356
Außerdem ist aber noch ein Vorteil der Annahme dieses Gesetzes: gerade
die Stärke, die wir erstreben, stimmt uns selbst notwendig friedfertig. Mit dsr
gewaltigen Maschine, zu der wir das deutsche Heerwesen ausbilden, unternimmt
man keinen Angriff.
Ich bin nicht für irgendwelchen Angriffskrieg, und wenn der Krieg nur
durch unfern Angriff entstehen könnte — Feuer muß von jemand angelegt
werden — wir werden es nicht anlegen.
Also — wenn ich mich resümieren soll — ich glaube nicht an eine un-
mittelbar bevorstehende Friedensstörung und bitte, daß Sie das vorliegende
Gesetz unabhängig von diesem Gedanken und dieser Befürchtung behandeln,
lediglich als eine volle Herstellung der Verwendbarkeit der gewaltigen Kraft,
die Gott in die deutsche Nation gelegt hat für den Fall, daß wir sie brauchen;
brauchen wir sie nicht, dann werden wir sie nicht rufen; wir suchen den Fall
zu vermeiden, daß wir sie rufen.
Dieses Bestreben wird uns noch immer einigermaßen erschwert durch
drohende Zeitungsartikel vom Auslande. Man sollte das unterlassen, dann
würde man es uns leichter machen, unsern beiden Nachbarn auch gefälliger
entgegenzukommen. wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen
werden — vielleicht zu leicht —, aber durch Drohungen ganz gewiß nicht!
(Bravo I) wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in
der Welt (lebhaftes Bravo); und die Gottesfurcht ist es schon, die uns der,
Frieden lieben und pflegen läßt.
wer ihn aber trotzdem bricht, der wird sich überzeugen, daß die kampfes-
freudige Vaterlandsliebe, welche *8*3 die gesamte Bevölkerung des damals
schwachen, kleinen und ausgesogenen Preußen unter die Fahnen rief, heutzutage
ein Gemeingut der ganzen deutschen Nation ist, und daß derjenige, welcher die
deutsche Nation irgendwie angreift, sie einheitlich gewaffnet finden wird und
jeden Wehrmann mit dem festen Glauben im Kerzen: Gott wird mit uns sein!
(Lebhafter, andauernder Beifall.)
Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freiherr von und zu
Frankenstein.
Abgeordneter Freiherr von und zu Franken st ein: Im eignen Namen
und im Namen meiner politischen Freunde stelle ich den Antrag, das eben zur
Beratung stehende Anleihegesetz an die Budgetkonnnisfion zur Vorberatung zu
verweisen, um daselbst die nötigen und möglichen Aufschlüsse zu erhalten.
Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Helldorf.
Abg. von Helldorf: Meine Herren, ich würde es für unrecht halten,
dem Gehörten ein anderes Wort hinzuzufügen als das des Ausdruckes der vollen
Übereinstimmung mit den Vorschlägen, die der Herr Vorredner gemacht hat,
und den Ausdruck des Vertrauens, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen von
unserer Staatsleitung rechtzeitig uns empfohlen werden. . . . (Bravo I)
Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vr. von Bennigsen.
Abg. I)r. von Bennigsen: Ls sind gewiß nicht lange Reden, welcke
man in diesem Augenblicke von den Vertretern der deutschen Nation im Reiche
tag erwartet. Das aber kann unser Volk verlangen, daß wir in einträchtigem
Zusammenwirken mit den verbündeten Regierungen und in voller Unterstützung
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
389
und § ;ss des Strafgesetzbuches verstoßen und werde vom Gerichte sicher verurteil'
werden, was er aber dann an Strafe und an Gerichtskosten zu zahlen haben
wurde, werde weit höher fein als die von ihm geforderte Geldbuße. Des
hartnäckige Vogt jedoch bestand auf feiner Weigerung, und so verlief der Sühne-
termin, ahne daß man sich geeinigt hatte.
Kurz überlegte sich, ob es nicht bester wäre, die Sache nun ruhen zu lasten,
wurden aber feine Neider nicht glauben, daß wirklich etwas wahres an den
Beschuldigungen Vogts wäre? Und sollte er sich ungestraft beleidigen lasten?
Nein und abermals nein! Seine angegriffene Ehre verlangte eine Sühne.
Am nächsten Morgen schon setzte er sich hin, fertigte eine Klageschrift
gegen Vogt an und adressierte sie an das König!. Amtsgericht. Diesem Schrift-
stücke legte er eine Bescheinigung des Friedensrichters über die erfolglos versucht«
Sühne bei. wenige Tage danach ging dem Beschuldigten Vogt vom Gericht
eine Abschrift der Klage zu mit der Aufforderung, er solle sich innerhalb vier-
zehn Tagen äußern. Er zog es aber vor zu schweigen. Nicht lange nach Ab-
lauf der vierzehn Tage wurden beide, Kurz und Vogt, vor das Schöffengericht
geladen. Dieses fetzt sich zusammen aus einem Amtsrichter als dem Vorsitzenden
und zwei angesehenen Bürgern der Stadt, denen das Ehrenamt eines Schöffen
übertragen wurde. In der Hauptoerhaudlung las der Vorsitzende die Anklage aus
dem Lröffnungsbefchluß vor und forderte den Angeklagten Vogt auf, sich hierüber
zu erklären. Vogt suchte seine Äußerung als ganz harmlos hinzustellen. Lin
Zeuge, der ebenfalls vernommen wurde, bestätigte jedoch alle Angaben des Kurz.
Auch dar Kirchenvorstandsmitglied wurde verhört, und es ergab sich, daß sein
Verkehr mit Meister Kurz gar keinen Linfluß auf die Vergebung der Arbeiten
gehabt hatte. Das Schöffengericht zog sich zur Beratung zurück. Dann ver-
kündete der Amtsrichter das Urteil. Vogt wurde zu einer Geldstrafe von 50
und zur Tragung der Kosten verurteilt. Die Kosten stellten sich, wie er nach-
träglich erfuhr, auf 26,50 M. wären die Parteien durch Rechtsanwälte ver-
treten gewesen, so würde der Kostenbetrag nicht unerheblich höher gewesen sein.
Vogt war wütend; doch einsichtige Freunde rieten ihm, keine weiteren
Schritte in der Angelegenheit zu tun. Außer neuem Ärger werde er nur noch
größere Geldkosten haben. Darum sah er von einer Berufung an das Land-
gericht ab. Es dauerte aber lange Zeit, ehe er sich mit Kurz versöhnte und
einsah, wie gut es gewesen wäre, wenn er seine Zunge bester im Zaume ge-
halten hätte. Erich Wallher.
164. Mit einem Scheine des Rechts.
Ein Bild aus dem Berliner Handwerkerleben.
„üfto, Mutter, endlich! 's war aber auch heechste Zeit, daß wir au§
de Tinte kamen. Und nu Kopp hoch, Olle — hier is Kies wie Heu!"
Meister Kern griff in die rechte Tasche seines Überziehers, dem marr
ansah, daß er schon einige Sommer hatte kommen und gehen sehen, und
legte dann bedächtig einen ansehnlichen Leinwandbeutel auf deu Tisch.
Wohlgefällig strich er mit der schwieligen Hand über das runde Ding
„Sechshundert Mark, Olle, und bar Geld. Een nobler Herr, Hen
Wiesling, un jut mit ihm arbeiten. Dat muß ihm der Neid lassen."
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deutung aller Schleicherei und Falschheit und alle Verachtung zu
legen pflegte.
Aatzelmacher!
Jetzt handelte sich's beim kochenden welschen nur mehr ums
Messer. Denn dadurch auch unterscheidet sich der feurige Südländer
von dem kühleren Nordländer; er stößt lieber mit Stahl zu, denn
mit giftigen Worten.
Daß römisches Blut in seinen Adern rolle, mußte er zeigen,
und er zeigte es auch. In Ermangelung eines erwünschten Instru-
ments schleuderte er dem Gegner über den Tisch hin ein paar Bier-
gläser zu. Der Tumult begann von neuem. Etliche bekamen ein
klingendes Fauststücklein an den Aopf, und den, der das Wort
Aatzelmacher gebraucht, erwischte der durch wein und Streit erhitzte
Italiener am Halstuch, und das ist eine ganz vorteilhafte handhabe
für den Angreifer! Schon lag der Angegriffene auf dem Fußboden,
röchelnd, schäumend und dunkelblau im Gesichte, schon setzte Dzzotti
das Anie an die Brust, und seine Faust wand das Halstuch noch
immer enger zusammen, wobei seine Augen in einer wahren Lust-
gier funkelten.
Endlich, bevor es zu spät war, gelang es den Aameraden, den
Italiener von seinem Dpfer loszulösen. Doch wie eine Aatze glatt
und schlau entschlüpfte er den fänden der Rächer.
So war's gekommen, und so war's verlaufen. Dann war
wieder das fröhliche Sonntagszechen. Nur dem Peter Dberdorfer
wollte das Bier nicht recht durch die Gurgel rinnen, er hatte noch
lange das Gefühl, als würge ihn einer mit dem Halstuch. Er rieb
sich die liebe Aragenhaut mit der Hand, er ging in die freie Luft,
um stark Atem zu holen; man riet ihm sogar, daß er sich auf den
Aopf stellen solle, damit die Gurgel wieder auseinandergedrückt
werde, aber es wollte alles nicht viel fruchten. Die meiste Er-
leichterung verschaffte ihm noch der Gedanke: „Na wart'! Es ist
noch nicht finster!" Es ist noch nicht finster! Das war Meters
Sprichwort, und es war als solches bekannt und berüchtigt. Im
gewöhnlichen Sinne galt es als Bestätigung und Bekräftigung von
etwas, das der Peter meinte, und wenn er etwas mit dem
Worte: „Es ist noch nicht finster!" versprach, so war es so gut wie
seine Namensunterschrift und sein Ehrenwort. Wenn er's aber im
Zorn ausrief, dann war es wie ein Fluch und wilder Schwur, eine
Drohung, vor der mancher schon gezittert hatte.
wenn die beiden Männer — der Peter und Dzzotti, der
Italiener — am Sonntag in den Drtsgassen oder am Werktag auf
dem Wege zur Schicht aneinander vorüberkamen, da tauschten sie
kurz und scharf ihre finsteren Blicke, aber jeder hielt den Atem an
— was die Zunge kann, ist hier nicht am Platze.
Der Schichtenschreiber merkte es am besten, was zwischen den
beiden vorging, und er teilte dem Bergverwalter seine Meinung mit.
Es dürfte klug sein, den welschen zu entlassen.
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Extrahierte Personennamen: Dzzotti Peter_Dberdorfer Peter Peter